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Freitag, 5. März 2021

04.03.2021 Tag 7 Von Siegen ins Wildenburger Land

Nach einem guten Frühstück bin ich wieder unterwegs, zunächst wieder durch die ziemlich groß und verkehrsreich anmutende Stadt Siegen. Schließlich gelange ich auf einem Jakobsweg wieder in den Wald. Bei einigen Buchen am Weg ist die Rinde abgeplatzt und sie sind pilzbefallen. Wohl eine Folge der schnellen Freistellung, denn die Fichten auf der anderen Wegseite wurden wohl wegen Borkenkäferbefall geräumt.

Ein Schild klärt auf, dass ältere Eichen am Weg die Haubergsgrenzen markieren. Allerdings wurden die ehemaligen Wälder aus Eiche, Hainbuche und Birke inzwischen hier komplett durch Fichten ersetzt. 

Als es zu regnen beginnt, ziehe ich mein Regenzeug über und stelle mich dann an der Raststätte Siegerland an der A 45 unter. Das passt gut für ein Telefoninterview mit Herrn Völkl vom Siegener Anzeiger.

Vor Freudenberg geht es dann durch ein sehr stark von Boreknkäferschäden betroffenes Gebiet. Obwohl die frisch abgeholzten Fichten keine Rinde mehr haben und daher auch längst keine Käfer mehr beherbergen, wird hier gerade auf riesigen Flächen mit Harvestern abgeräumt. 

Die Containerlängen zeigen, dass das Holz großenteils nach China geht. Diesen Exportweg gibt es für Fichtenholz erst seit dem Beginn der Borkenkäferkalamität 2018. Die Preise sind dabei so niedrig, dass für den Waldbesitzer nach Abzug der Erntekosten kaum etwas übrig bleibt. Und wie gesagt, hier schützt der Einschlag der toten Fichten auch nicht benachbarte, noch gesunde Bäume, denn die Borkenkäfer haben die Stämme längst verlassen. Die Wege sind teilweise so zerstört, dass sie nur unter hohen Kosten wieder instand gesetzt werden können. Ein angrenzender Bach ist braun, von dem eingetragenen Schlamm, obwohl es gar nicht stark geregnet hat. Für alle Wasserorganismen ist das sehr negativ, da die Bachtiere an klares Wasser angepasst sind…

Natürlich wird die Fichte sich auf diesen „Steppenflächen“ wieder natürlich verjüngen, aber wohl kaum andere Baumarten, die dringend benötigt würden um einen stabilen Mischwald in der Folgegeneration zu erhalten. Ausserdem werden Jungbäume von den Baumschulen in den nächsten Jahren absehbar sehr knapp…

Warum macht man also so etwas, wenn doch der Waldbesitzer eigentlich nichts davon hat? Nun, es gibt eine staatliche Förderung für jeden eingeschlagenen Kubikmeter Kalamitätsholz. Die ist zwar nicht sehr hoch, kann aber entscheiden, ob so eine Harvesteraktion kostendeckend ist. Der Wegebau wird ebenfalls gefördert…

Eine große Rolle spielt sicher auch die typisch deutsche Ordnungsliebe. Wie sieht das denn aus, die vielen Baumleichen in der Landschaft?

Ein nicht ganz von der Hand zu weisendes Argument ist, dass Flächen auf denen die Baumleichen stehen bleiben, unbegehbar werden, da das Risiko besteht, dass die toten Bäume mit abgefaulten Wurzeln plötzlich umfallen. Man könnte aber relativ rasch eine Initialpflanzung unter den toten Bäumen machen und dann die Flächen komplett sich selbst entwickeln lassen. Die Ergebnisse wären wahrscheinlich positiv überraschend, wie Beispiele von Flächen zeigen, die man nach dem Sturm Kyrill 2007 nicht geräumt hat. Es gibt aber auch ältere Beispiele aus Bayerischem Wald und Schwarzwald die beweisen, wie eindrucksvoll die Natur neue Mischwälder schafft, wenn man sie denn lässt. Manchmal sind Pflanzung oder Saat auf solchen Flächen sinnvoll, oft aber auch nicht.

Die der Sonne ausgesetzten Kahlflächen Wucher leicht mit Brombeeren etc. zu, der wertvolle Humus wird schnell abgebaut, und unter Umständen werden Trinkwasser schädigende Schadstoffe frei gesetzt. Das alles vermeidet man, wenn man die toten Bäume stehen lässt. Irgendwann fallen diese um und es bildet sich ein natürlicher Wildschutz, denn auch das Wild geht nicht gerne in solche „Verhaue“. Aus Klimagesichtspunkten ist anzumerken, dass der im Holz und Boden gespeicherte Kohlenstoff nur über Jahrzehnte frei gesetzt wird, und dann wachsen schon wieder neue CO 2 speichernde Bäume auf den Flächen. Dagegen wird ein Großteil des des geernteten Holzes für kurzlebige Produkte eingesetzt, und das gebundene Kohlendioxid landet rasch wieder in der Atmosphäre.

Angrenzend an die Kahlflächen gibt es auch noch Bestände mit abgestorbenen Altfichten. Hoffentlich bleiben die stehen!

In der Nähe höre ich die Maschinen arbeiten und sehe einen LKW, der die Containerlängen zum Hafen bringt.

Freudenberg ist ein nettes Fachwerkstädtchen. Danach wandere ich einige Zeit durch alten Laubwald, ein 167 ha großes Naturschutzgebiet, wie ich auf einer Tafel lese.

Schließlich gelange ich in den Wald der Hatzfeld- Wildenburgschen Verwaltung. Hier wird schon seit langem nach den Grundsätzen der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft gearbeitet. Das sieht man dem Wald an: Überall sind junge Bäume aus Naturverjüngung. Sogar junge, gepflanzte Weißtannen wachsen ohne Schutz vor Wildverbiss. Offenbar sind die Wildbestände hier so einreguliert, dass das funktioniert. Weniger gefällt mir, dass viele ältere Eichenbestände nur noch aus einzelnen Bäumen bestehen, unter denen meist dichte Fichtennaturverjüngung hochwächst. Es regnet schon wieder, und mein Termin mit Dr. Straubinger von der hiesigen Forstverwaltung findet erst morgen statt, daher schlage ich bereits um 16 Uhr mein Lager auf. Heute habe ich lediglich 24 Kilometer zurück gelegt, gestern dagegen 34.





                                                    Durch Netzgitter geschützte Eichen


















                                                       Kranke Douglasien
                                                        Tannenverjüngung ohne Schutz






                                          Überall Fichten in den Eichenbeständen

                                                     Weisstannen werden in die Fichtenbestände ohne Verbissschutz eingebracht




3 Kommentare:

  1. Gestern, 04.03.2021 gab es auf ARTE um 20.15 Uhr eine Doku mit dem Titel:
    "Unsere Wälder-Sprache der Bäume" aus dem Jahre 2019.
    Müsste auch noch in der Mediathek zu finden sein.
    Es wäre eine wünschenswerte Pflichtlektüre für Förster und Waldbesitzer, damit sie eine Ahnung davon erhalten was zu tun ist, aber auch davon was sie gefälligst zu unterlassen hätten.

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  2. Habe ich leider nicht gesehen, klingt aber interessant!

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  3. Bislang klingt das recht frustrierend mit den ganzen abgeholzten Flächen. Hoffentlich wird es besser. Auch hier haben die Harvester gewütet, an manchen Stellen wächst aber schöner Mischwald hoch.

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