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Donnerstag, 24. Juni 2021

24.06.2021 Tag 107 Exkursion mit Forststudierenden - Waldwirtschaft im Klimawandel

Ich stehe morgens schon sehr früh auf, und blogge erst mal von gestern. Nach dem Frühstück im Gästehaus Kaiser holt mich dann Uwe Reißenweber ab, der Leiter der Fürstlich Castell’schen Forstabteilung. Im Betriebsteil Lisberg treffen wir uns dann mit Studierenden der Hochschule Weihenstephan- Triesdorf. Die etwa 25 Teilnehmer sind im vierten Semester und haben Corona- bedingt bisher leider nur wenig Übungen im Wald absolvieren können. Angeleitet werden sie von Professor Dr. Erwin Hussendörfer, der auf Waldbau und Genetik spezialisiert ist, sowie von Prof. Dr. Carsten Lorz, der Standortkunde unterrichtet. Bevor es mit der Übung losgeht, sagt Herr Reißenweber etwas zum Betrieb. Für die Eigentümer hat der Erhalt und die Verbesserung ihres Waldvermögens oberste Priorität, auch gegenüber kurzfristig vielleicht anderweitig möglichen, höheren Einnahmen. Insgesamt werden 4500 ha bewirtschaftet, zum größten Teil in Franken, es gibt aber auch einen Betriebsteil im Thüringer Wald. Nach den ersten Anfängen der naturgemäßen Bewirtschaftung vor 30 Jahren, wurde der gesamte Betrieb vor 20 Jahren auf eine kahlschlagfreie, einzelstammweise, eher laubbbaumorientierte Bewirtschaftung umgestellt. Dabei wurde die Reviergröße auf jetzt 1200 Hektar sogar wieder verringert, weil sich eine intensivere waldbauliche und jagdliche Betreuung letzten Endes auch finanziell lohnt. Inzwischen gibt es Naturverjüngung fast auf der kompletten Fläche, was auf eine Kombination aus stärkerer Durchforstung und scharfer Bejagung zurückzuführen ist. Dennoch werden die Rehe lediglich im Mai und September, sowie auf 2 Drückjagden im Herbst geschossen. Es gibt immer noch genügend Zeichen für die Anwesenheit dieser Tierart, aber durch das verbesserte Äsungsangebot ist das Gewicht der erlegten Tiere stark gestiegen. Das Haus Castell betreibt außerdem die älteste Privatbank Bayerns und ist logischerweise auch an betriebswirtschaftlichen Vergleichen stark interessiert. Dabei kam heraus, dass die eher laubbaumorientierten Reviere, über lange Zeiträume tatsächlich ertragreicher sind!

Nach der Einführung gehen wir in einen 120-150 jährigen Kiefern- Eichen- Buchen Mischbestand mit etwa 1,5 Meter hoher, flächendeckender Naturverjüngung aus Eichen und Buchen, den die Studierenden dann eingehend untersuchen, was Standorts- und Waldparameter angeht. 

Unterdesssen wandere ich mit Erwin durch den Wald, wobei wir uns intensiv unterhalten. Im Gegensatz zu Prof. Müller, den ich im Bayerischen Wald getroffen hatte, kennt er Untersuchungen, die klar den wichtigen Einfluss von Totholz auf die Waldverjüngung belegen. Als Genetiker betont er, wie wichtig epigenitische Anpassungsprozesse in der Naturverjüngung zur künftigen Resistenz gegen Dürren sind. Dabei sind langfristigen Verjüngungszeiträume sehr wichtig. Er betont, dass unsere einheimischen Baumarten über genügend genetisches Potenzial verfügen, um auch den neuen Herausforderungen begegnen zu können. Von der Verpflanzung fremder genetischer Herkünfte, wie beispielsweise im Tannenprojekt der ANW, hält er wenig, da Pflanzungen relativ weniger Individuen immer mit einer Verengung des Genpools einher gehen und man sich nicht nur auf die Bäume sondern auf die gesamte Waldlebensgemeinschaft, inklusive der besonders wichtigen Mykorriza Pilze konzentrieren muss. Die zur Zeit stark propagierte, stärkere Holznutzung aus Klimaschutzgründen hält der Professor für sehr bedenklich, da dies durchaus auch den notwendigen Waldumbau hin zu stabileren Beständen mit mehr Laubbäumen konterkarieren kann. 

Später werden dann die Ergebnisse der Feldaufnahmen mit den Studierenden diskutiert. Es handelt sich hier um Burgsandstein des Keuper, ein eher sandiges Bodenbildungsmaterial in dem aber immer wieder Tonlinsen vorkommen. Interessanterweise finden sich in der Naturverjüngung die Eichen stärker dort ein, wo das der Fall ist. Klassischerweise würde man annehmen, dass man schon jetzt den jungen Eichen helfen muss, um sich gegen die Buchen in der Naturverjüngung zu behaupten. Die Untersuchungen hier haben ergeben, dass das keineswegs der Fall ist, im Gegenteil, die Eichen durch die Trockenjahre eher gefördert worden sind. 

Es gibt auch hier abgestorbene Kiefern und Kronenschäden in den Buchen. Dabei wird betont, wie wichtig es ist, auch die erkrankten Bäume stehen zu lassen, insbesondere als Schattenspender und zur waldbaulichen Erziehungswirkung für die nächste Generation. Der Betrieb wird erst jetzt die staatlichen Fördermöglichkeiten für Totholz und Habitatbäume in Anspruch nehmen, dass wird in Zukunft aber sicher eine größere Rolle spielen. Außerdem wird über das Thema der Inwertsetzung von sogenannten „Ökosystemdienstleistungen“ des Waldes diskutiert, in denen Herr Reißenweber großes Potenzial sieht. Erwin denkt, dass sich dabei ein stark auf die Kohlenstoffspeicherung ausgerichtetes Modell durchsetzen wird. Was die Erhöhung des Holzvorrats angeht, hält er das für sinnvoll, allerdings in Nadelbaumbeständen mit ihrem höheren Betriebsrisiko für schwierig. Die Entlohnung der Waldbesitzer für die Kohlenstoffspeicherung in Holzprodukten kann dagegen sogar kontraproduktiv sein, da dies tendenziell den Waldvorrat veringert und heute noch Holzprodukte weit überwiegend nur sehr kurzfristig genutzt werden, bevor durch Verbrennung der Kohlenstoff dann doch wieder als klimaschädliches Gas freigesetzt wird. 

Als nächstes fahren wir in den Seminarwald bei Ebrach. Dieses etwa 65 ha große Waldgebiet gehört einer Stiftung, wird aber schon seit langem vom staatlichen Forstbetrieb betreut und naturgemäß bewirtschaftet. Wir steuern einen ähnlichen Bestand wie in Lisberg an, in dem die Verjüngung aber schon 20 Jahre älter ist. Hier würde man klassischerweise die Eiche gegenüber der Buche fördern und vitale Eichen als Z-Bäume von Bedrängern frei stellen. Tatsächlich hat die zuständige Revierleiterin Petra Diener hier noch gar keine Pflegeeingriffe vorgenommen und die Eichen behaupten sich dennoch sehr vital, auch gefördert durch die Trockenheit der letzten Jahre. Erwin betont, dass man bei einer Festlegung auf Z- Bäume oft die Falschen auswählt, da gerade die offenbar zurückgebliebenen Bäume genetisch oft besonders gut ausgestattet sind, was die Anpassung an den Klimawandel angeht. Durchforstungen nach dem klassichen ANW- Motto „Das schlechte fällt zuerst“ können leicht zu einer unerwünschten Einengung des Genpools führen. 

Schließlich verabschieden wir uns von den Anderen und ich kehre mit Erwin in einem Biergarten ein, bevor wir in den 150 ha großen Gemeindewald Gerolzhofen fahren, wo wir uns mit dem Revierleiter Jochen Schenk treffen. Der tonige Gipskeuper hier lässt keine Buchen zu, dafür erwartet uns ein wirklich ungewöhnlicher, bunter Wald aus Eichen, vor allem aber auch vielen Elsbeeren, Speierlingen, Feldahornen, Linden und Wildbirnen. Die Dimension und Qualität besonders der Speierlinge und Birnen ist frappierend! Während zahlreiche Kiefern trockenheitsbedingt absterben und auch das Eschen Triebsterben hier weit verbreitet ist, zeigen sich die genannten Baumarten erstaunlich vital. Baumarten die unter den Bedingungen des Klimawandels auch woanders unbedingt stärkere Berücksichtigung finden sollten!

Gerade erst aufgestellte Weisergatter zeigen bereits Unterschiede zu benachbarten, ungezäunten Flächen. Der Rehwildeinfluss in dieser verpachteten Jagd scheint immens zu sein.

Es ist schon spät, als mich Erwin wieder zum Gästehaus Kaiser bringt. Dort wartet ein weiterer, interessanter Gesprächspartner auf mich. Thomas Mathes von der TU München will im Steigerwald laserscannergestützte Untersuchungen zur Anfälligkeit der Buchen gegenüber Trockenheitsschäden in verschiedenen Bestandesstrukturen durchführen. Als ersten Eindruck hält er meine Beobachtungen für plausibel, dass stärker aufgelichtete Wälder eher Schäden zeigen, aber auch in seit langem nicht mehr genutzten Bereichen würden einzelne Buchen absterben. Ich betone, dass insbesondere Bereiche, in denen frisch Buchen gefällt wurden, unbedingt in die Untersuchungen einbezogen werden müssen. Das Gespräch ist sehr interessant zumal Thomas auch „Foresters for Future“ mitgegründet hat. Genau richtig, da ich finde, dass sich gerade die Förster als Umweltspezialisten in der Klimadiskussion stärker einbringen sollten!


Exkursion mit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf


Herr Reißenweber stellt den Betrieb vor

Prof. Hussendörfer mit Studierenden


Beeindruckende Naturverjüngung


Bodenanalyse


Auch die Drohne kommt zum Einsatz


Bodenprofil


Diskussion mit Studierenden




Auch Luftbilder finden Berücksichtigung


Professor Lorz unterrichtet Bodenkunde


Prof. Dr. Erwin Hussendörfer


Revierleiter Jochen Schenk


Türkenbundlillie


Beeindruckende Speierlinge


Viel Elsbeeren Nachwuchs


                                                                                     Riesige Wildbirne



                            Auch Wildbirnen können stattliche Bäume werden



                          Die Wildbirne setzt sich gegen die Eiche durch



                                                                                  Weisergatter


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